Der Medienpädagoge


Dipl.-Ök. M. A. Lorenz Varga
Mit der Kaffeekanne griffbereit und einer gut gefüllten Tasse zur Rechten: „Ich hatte heute noch zu wenig Kaffee. Normalerweise trinke ich zwei Kannen am Tag. Heute hatte ich bis jetzt nur eine. Ich trinke aber auch viel Wasser.“ Mit dieser aufgelockerten Stimmung verlief unser Gespräch über Studium, Werdegang und Lorenz Vargas Arbeit bei den Hannoverschen Werkstätten. All das macht Lorenz Varga nämlich aus.
Ein Aspekt ist, dass Varga nicht nur Lehrkraft für besondere Aufgaben in unserem Studiengang ist, sondern auch ein freischaffender Medienpädagoge. Seit 2012 arbeitet Varga für die Hannoverschen Werkstätten. Diese sind eine Einrichtung zur Förderung von Menschen mit Behinderung. Somit ist Varga zur Hälfte selbstständig und zur anderen Hälfte an der Hochschule Hannover tätig. Sein Ziel war es immer, von einem Job unabhängig zu sein. Dieses Ziel hat er erreicht. Aber wie kam Varga eigentlich dazu, im Studiengang ITR zu lehren? 2014 suchte der Studiengang eine Lehrbeauftragte oder einen Lehrbeauftragten für Deutsch und Recherche. Ein Freund an der Fakultät 3 machte Varga auf die Stelle aufmerksam. Varga, der durch sein Germanistik- und Pädagogik-Studium sowie durch seine Arbeit beim Radio und als Gymnasiallehrer für Deutsch einiges an Erfahrung im Gepäck hatte, traf sich daraufhin zu einem Gespräch mit dem damaligen Professor für Deutsch und Recherche, Andreas Baumert. Nach dem Gespräch wurde er als Lehrbeauftragter im Studiengang BTR beschäftigt. Varga hat in seiner beruflichen Laufbahn schon vieles erlebt: von der pädagogischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Menschen mit Behinderung sowie mit Migrantinnen und Migranten bis hin zum Redakteur und Vorstand in einem Radiosender sowie Moderator von Magazinsendungen, Ausbilder und Beitragsproduzent. Einen Berührungspunkt zur Technischen Redaktion hatte es zuvor nicht gegeben:
“Technischer Redakteur kennt niemand, der nicht mit der Sache zu tun hat, oder zumindest die wenigsten. In meinem Freundeskreis kommt oftmals die Frage auf: ‚Was machst du da?’“
Trotz allem war der Brückenschlag zwischen Kommunikation und Technischer Redaktion ein Klacks – besonders durch Vargas Erfahrung in Deutsch und Interviewtechnik. Auch in einem anderen Bereich der Kommunikation kann Varga mit seiner Erfahrung glänzen: in der barrierefreien Kommunikation. Da Varga als Medienpädagoge mit Menschen mit Behinderung, insbesondere auch mit Menschen mit geistigen und seelischen Einschränkungen, arbeitet, kann er die Bedeutung der barrierefreien Kommunikation für das Erreichen von Inklusion sehr gut einschätzen. Bei der inklusiven Medienarbeit unterstützt er Menschen mit Behinderung bei der Gestaltung einer Zeitung sowie bei der Produktion einer monatlichen Radiosendung. Für ihn ist bei der barrierefreien Kommunikation ein Aspekt entscheidend: Respekt.
„Barrierefreie Kommunikation fängt mit dem gegenseitigen Respekt an.“
Dabei muss man beachten, dass man Verständnis für andere Menschen entwickelt, anstatt sie für ihre Differenzen zu bevormunden. Das ist auch für Varga ein Drahtseilakt. Ebenso schwierig findet er etwaige Gruppenabgrenzungen, weil sie ein (scheinbar defizitäres) Merkmal heranziehen, um Menschen zu kategorisieren, die dann sogar gegeneinander ausgespielt werden (können), wie etwa bei Markierungsrillen für Blinde und Sehbehinderte, die für Rollstuhlfahrer eher ein Hindernis darstellen. Hinzu komme die Schwierigkeit, dass Menschen mit Behinderung oft nicht zu Wort kommen, wenn es um sie geht. Von der Unterstützung bis zur Bevormundung ist da nur ein kleiner Schritt. Auf diesen Drahtseilakt müssen sich auch Technische Redakteurinnen und Technische Redakteure einlassen, denn barrierefreie Kommunikation ist auch in der Technischen Redaktion ein wichtiges Thema. Gerade im technischen Bereich spielt barrierefreie Kommunikation eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, sich auf einer Webseite zurechtzufinden oder ein technisches Gerät zu bedienen.
Aber wie kam es zur medienpädagogischen Arbeit bei den Hannoverschen Werkstätten? 2012 übernahm Varga eher zufällig die Radiosendung Handicap on Air bei den Hannoverschen Werkstätten. Zufällig, weil ein befreundeter Pädagoge, der für die Stelle gefragt wurde, keine Zeit und auch wenig Radioerfahrung hatte. Und in der Tat: Die Kombination Radio- und Pädagogik-Know-how ist eher selten. Ohne vorherige Erfahrungen mit Menschen mit Behinderung, aber mit gesundem Menschenverstand, übernahm Varga die Radiosendung. Durch diese Arbeit hat Varga viel gelernt:
„Dadurch lernt man Demut und auch Geduld, die für die Pädagogik ungemein wichtig ist. Nicht nur Geduld, sondern auch Akzeptanz dafür, dass dein Gegenüber weniger weiß als du, ist sehr wichtig.“
Geduld ist aber etwas, das beim Lesen einer Anleitung weniger gefragt ist. Immerhin sollte man „keine 100 Seiten lesen, um ein kleines Gerät bedienen zu können”. Nach Varga sollte eine Anleitung kurz, klar, prägnant und präzise sein. Wie diese Kriterien erfüllt werden, lernt man in unserem Studiengang. Dabei ist für Varga das Besondere an ITR die große Bandbreite an Themen wie Technik, Linguistik und Informatik. Auch die Rolle, die Kommunikation in unserem Studiengang spielt, sei es in der praktischen Anwendung der gelernten Theorie oder im Studiengang selbst, findet Varga spannend. Zudem ist unser Studiengang viel intimer als andere. Varga selbst hatte den ersten näheren Kontakt zu einem seiner Dozierenden erst im Hauptstudium. Ihm gefällt das Intime unseres Studiengangs sowohl unter den Studierenden als auch zwischen Studierenden und Dozierenden sehr. Deswegen kann Lorenz Varga den Studierenden auch nur raten:
„Genießen Sie die Studienzeit. So schön wird es nie wieder. Wenn Sie im Beruf sind und Familie haben, wird das alles viel stressiger.“

